Wer mich kennt weiß, wie anstrengend die letzten Jahre im Hinblick auf meine Aufenthaltserlaubnis in den USA waren. Der ständige Kampf, hier sein zu dürfen verknüpft mit der Frage, ob es das auch alles wert ist und ob ich das Richtige mache. Da dieses Thema immer wieder viele Fragen aufbringt, habe ich mir gedacht ich schreibe heute einmal ein bisschen ausführlicher darüber, um euch, meinen Freunden, Bekannten, Followern und Lesern einen besseren Überblick zu verschaffen, was es heißt europäischer Ausländer in Amerika zu sein.
Es fing alles mit einem Musik-Studium an. Ich wusste, ich musste nach Kalifornien. Warum ganz genau, das kann ich mir bis heute selbst nicht erklären. Natürlich ist das Wetter kaum zu schlagen und die Mentalität sagt mir zu, aber rein logisch kann ich es nicht immer begründen. Es war ein Gefühl hier sein zu müssen, das bis heute anhält. Damals, 2012, musste ich mich, nachdem ich am College meiner Wahl angenommen wurde, um ein Studentenvisum bewerben, was, zurückblickend, ein sehr einfaches Verfahren war. Online Formulare ausfüllen, eine Gebühr bezahlen, ein biometrisches Foto machen, Termin im amerikanischen Konsulat beantragen, zum Interview erscheinen und die Sache war weitgehend erledigt.
Als ich dann nach meinem Studium bei weitem nicht bereit war wieder nach Deutschland zurückzukehren stand mir die Option offen, mich durch meine Schule für ein "OPT" zu bewerben. "Optional Practical Training", ein Program, welches einem erlaubt bis zu ein Jahr nach abgeschlossenem Studium in den USA zu bleiben und in seinem Studien-Fachbereich zu arbeiten. Auch dies war ein einfaches Verfahren ohne Komplikationen und ich fand Arbeit an zwei verschiedenen Musikschulen, an denen ich Gesang und Klavier unterrichtete.
In dieser Zeit habe ich bereits von vielen Freunden und Bekannten gehört, die sich für ein Künstlervisum beworben haben. Ein sogenanntes O-1 Visum für Künstler mit "außerordentlichen Fähigkeiten". Natürlich gab es auch die Option dauerhaft hier zu bleiben, wenn man heiraten würde, was jedoch für mich nie in Frage kam. Das O-1 Visum schien die einzige Möglichkeit zu sein nach diesem Jahr weiterhin hier leben und arbeiten zu können. Allerdings hieß es, dass die Voraussetzungen sehr streng seien und das Visum nicht jeder bekomme. Ich hatte nicht viel vorzuweisen an Erfahrung und "Einzigartigkeit", und "Unabdingbarkeit", da ich mein Leben lang viel Zeit damit verbrachte mich in meinen Selbstzweifeln zu wälzen, anstatt Songs zu schreiben und auf Bühnen die Sau rauszulassen, was alles zu einem bestimmten Grad an Erfolg hätte führen können, der mir bei meinem Vorhaben ein Künstlervisum zu ergattern helfen hätte können.
Nichtsdestotrotz versuchte ich mein Glück trotzdem. Ich entschied mich für einen Anwalt, der jung war, aber mich durch seine freundliche Art überzeugte. Dazu sei gesagt, man kann das ganze Prozedere auch ohne Anwalt machen. Man spart sich dabei tausende an Dollarn, aber es wird einem nicht empfohlen. Es müssen sämtliche Formulare ausgefüllt werden, alles muss ordnungsgemäß sortiert werden und in der Regel wird ein 5-7cm dicker Stapel an Papieren eingesendet, die Fotos, Empfehlungsschreiben und anderweitige Beweise beinhalten, die den Beamten bei USCIS (US Immigration and Citizen Services) davon überzeugen sollen, dass man ein/e einzigartige/r Künstler/in ist, der/die für die nächsten drei Jahre Arbeit vorzuweisen hat, bei denen man mehr verdient als der Durchschnittsmusiker und die zudem beweisen, dass man schon einen bestimmten Grad an Ruhm und einen überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Dazu brauchte ich auch Zeitungsartikel, um zu zeigen, wie bekannt ich bin. Ich weiß, vor allem Leute aus meiner Umgebung in Deutschland kennen diese Artikel. Nie im Leben hätte ich mich zuvor selbst angepriesen und meine Story einer Zeitung angeboten, jedoch hatte dies lustigerweise auch zur Folge, dass andere Magazine und Zeitschriften auf mich aufmerksam wurden, was dazu führte, dass ich "die deutsche Jodlerin in Hollywood" wurde, was wiederum dazu führte dass ich einige Zeit später ein anderes Visum bekam.
Nachdem ich jedoch für mein O-1 Visum ein RFE bekam (Request for more evidence), und daraufhin mit dem Anwalt zusammen weitere Dokumente einschickte, um den Anforderungen doch noch gerecht zu werden, wurde ich nach einigen Monaten letztendlich abgelehnt. Ich hatte das Visum nicht bekommen und hatte nun 6 Monate Zeit das Land zu verlassen. Weil der Anwalt so nett war, schickte er die gleichen Dokumente ohne weitere Anwaltskosten noch einmal ein, mit der Hoffnung bei einem anderen Beamten mehr Glück zu haben. Ich musste "lediglich" die Beantragungsgebühr für die Behörden von knappen $800 bezahlen. Auch dieses Mal bekam ich ein RFE.
Um meine Familie zu besuchen war ich ausgereist, ich durfte zu dieser Zeit auch nicht mehr arbeiten, und kam dann mit einem Touristenvisum zurück, mit dem ich drei Monate hier bleiben durfte. Auch dieses Mal wurde das Visum wieder abgelehnt. Ich war am Boden zerstört. Es schien, als wäre mein amerikanischer Traum geplatzt.
Mein Ex-Freund riet mir jedoch es nochmal mit einer anderen Anwältin zu versuchen. Ich erinnerte mich daran, was der erste Anwalt mir erzählt hatte, von einem anderen Visum, dass jeweils nur für ein Jahr gültig ist, im Vergleich zum O-1 mit drei Jahren.
Bei einem Termin mit der neuen Anwältin, die das Gegenteil von dem anderen Anwalt war was Freundlichkeit betrifft, meinte diese, dass ich nie genug vorzuweisen hatte um ein O-1 Visum zu bekommen, aber dass meine Chancen für ein P-3 Visum als Jodlerin definitiv gut standen. P-3 Visas sind für kulturell einzigartige Performer und Lehrer. Eine Voraussetzung, die ich Dank der zufälligen Entdeckung meiner Jodel-Nische in Los Angeles erfüllte. Ich zahlte erneut eine Anwaltsgebühr und bewarb mich für dieses Visum, meine einzige Chance hier zu bleiben bzw. zurück zu kommen, wenn ich nicht wieder studieren wollte. Nach ungefähr vier Monaten bekam ich die Zusage. Der Antrag wurde genehmigt. Ich machte einen Termin im Konsulat und kehrte als "non immigrant alien" zurück nach Los Angeles. Seitdem habe ich dieses Visum drei mal erneuert.
Auch bei Terminen im Konsulat, die nötig sind um das eigentliche Visum in meinen Reisepass zu bekommen, um wieder in die USA einreisen zu können, muss ich mir jedes Mal eine Panikattacke verkneifen. Bereits mehrere Male wurden Freunde von mir nach der Bestätigung eines Visums dann im Konsulat zurückgewiesen. Glücklicherweise scheinen die Beamten im Münchner Konsulat immer nett und es gab noch nie Komplikation.
Da ich jedoch immer noch nicht bereit bin mein Leben hier aufzugeben (ich weiß nicht ob ich das irgendwann sein werde), will ich nicht auf Dauer jedes Jahr zu einem Anwalt laufen und jedes Jahr hoffen und bangen, dass ich weiterhin hierbleiben darf.
Deswegen bewerbe ich mich seit ca. einem Jahr mit der Hilfe meiner Arbeitsstelle für eine Job-basierte Green Card.
Auch dieser Prozess kostet Geld und viel Nerven. Wir sind jedoch fast am Ende dieses Kampfes.
Bevor ich aber meine Green Card bekomme, muss ich meinen legalen Status in den Staaten aufrecht erhalten, weswegen ich mich letztes Jahr erneut für eine Verlängerung meines P-3 Visums beworben habe. Dabei gilt die Regel, dass man solange im Land bleiben darf, bis man eine Antwort von den Behörden bekommen hat. Jedoch könnte ich nicht wieder einreisen, sollte ich noch keine Bestätigung haben. Der Antrag wurde im August 2019 eingeschickt. Im März 2020 kam ein RFE per Post, der weitere Beweise verlangte, dass Bayrisches Jodeln sich auch wirklich von anderen Jodelarten unterscheidet, und dass ich auch wirklich eine glaubwürdige und echte Bayrische Jodlerin bin. Und das, nachdem ich dieses Visum bereits drei mal bekommen hatte. Einige Zeitungsberichte und Empfehlungsschreiben später wurde das ganze erneut eingereicht.
Wegen der Corona Krise wurde alles noch etwas verlangsamt, im Anwaltsbüro, so wie auch bei USCIS selbst. Sollte ich dieses Visum nicht bekommen, müsste ich ausreisen und mit der momentanen Lage könnte es ewig dauern bis ich Dokumente haben würde, die mir eine Wiedereinreise erlauben würden. Meine Welt stand Kopf. Ich hatte so viel Angst hier alles liegen und stehen lassen zu müssen. Meine Wohnung, meine Arbeit, mein Leben.
Doch dann kam diese Woche die Zusage. Mein Visum wurde genehmigt. Ich habe Glück, dass meine Visa-Kategorie nicht zu denen gehört, die momentan wegen der Corona-Krise nicht ausgestellt werden. Mein Visum ist gültig bis Oktober, aber es sollte mir genug Zeit verschaffen um nun meinen Status anzupassen, sobald mein Green Card Antrag bestätigt ist.
Manchmal frage ich mich, warum ich mir das alles antue. Und ich weiß auch andere Leute fragen sich das. Wenn ich es doch so einfach haben könnte in Deutschland, einem sicheren Land, niedrigeren Lebenskosten, mit meinen Freunden und Familie. Aber vielleicht sollte ich mich anstatt deswegen fragen "Warum nicht?". So schwer wie es ist, so brauche ich doch auch wieder die Herausforderungen, um daran zu wachsen und um nie aufzuhören dazuzulernen.
Ich bin kurz vor dem Ziel und ich bin so froh, dass ich bis jetzt nie aufgegeben habe und dass ich stets Unterstützung hatte, von Freunden, die sich in meine Lage versetzen können, aber vor allem von meiner Familie, die meine außerordentlichen Vorhaben und Pläne vielleicht nicht immer verstehen, aber trotzdem immer hinter mir stehen, mich anfeuern und mir unter die Arme greifen.
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